Haftung des Grundstücksverkäufers bei Altlastenverdacht

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 21.07.2017, Az.: V ZR 250/15, über die Haftung des Verkäufers eines Grundstücks entschieden, wenn dem Grundstück ein Altlastenverdacht anhaftet.

Einem Grundstück haftet demzufolge ein Sachmangel an, wenn seine frühere Nutzung einen Altlastenverdacht begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssen. Verschweigt der Verkäufer eine ihm bekannte frühere Nutzung des Grundstücks, die einen Altlastenverdacht begründet, so handelt er objektiv arglistig. Der Verkäufer handelt auch subjektiv arglistig, wenn er die frühere Nutzung des Grundstücks kannte und es zumindest für möglich hielt, dass diese einen Altlastenverdacht begründet.

1. Tatbestand

Der Kläger erwarb von der Beklagten zu 1 durch notariellen Kaufvertrag vom 30. September 2003 mehrere mit einem Gewerbepark bebaute Grundstücke. Die Haftung der Beklagten zu 1 für Sachmängel wurde ausgeschlossen, mit Ausnahme der Haftung für Vorsatz und Arglist. Der Beklagte zu 3, von Beruf Bauingenieur und Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 1, hatte die Grundstücke im Jahre 1989 von einem Hoch- und Tiefbauunternehmen erworben. Ihm war bekannt, dass auf den Grundstücken in den 1960er bis 80er Jahren eine Asphaltmischanlage für den regionalen Straßenbau sowie ein Klärschlammrückhaltebecken betrieben worden waren. Die damalige Verkäuferin hatte in dem mit dem Beklagten zu 3 geschlossenen Vertrag versichert, dass ihr Bodenverunreinigungen nicht bekannt seien.

Der Kläger verlangte von den Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner wegen eines aufgrund der früheren Nutzung der Grundstücke nach seiner Behauptung bestehenden Altlastenverdachts Schadensersatz in Höhe der Wertdifferenz zwischen dem Kaufobjekt in mangelfreiem und in mangelbehaftetem Zustand (884.000 €) nebst Zinsen sowie die Feststellung, dass die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm weitere, aus dem Erwerb der Grundstücke in diesem Zusammenhang entstehende Schäden zu ersetzen.

2. Entscheidungsgründe

Der Bundesgerichtshof stellt hierzu folgendes fest:

a) Altlastenverdacht als Sachmangel

Die frühere Nutzung der streitgegenständlichen Grundstücke begründet objektiv einen Altlastenverdacht und damit einen Sachmangel.

Besteht aufgrund der früheren Nutzung eines Grundstücks ein Altlastenverdacht, stellt bereits dies regelmäßig einen offenbarungspflichtigen Sachmangel dar. Ein altlastenverdächtiges Grundstück weist unabhängig von dem mit dem Kauf verfolgten Zweck in aller Regel schon wegen des Risikos der öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme und wegen der mit einem Altlastenverdacht verbundenen Wertminderung nicht die übliche Beschaffenheit auf.

Zwar ist nicht jedes Grundstück, dessen Nutzung als Industriegelände schon Jahrzehnte zurückliegt, von vornherein als altlastenverdächtig einzustufen. Anders liegt es aber, wenn die frühere Nutzung die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen begründet, wie etwa bei einer ehemaligen „wilden Müllkippe“ oder einer Tankstelle.

Auch die Nutzung eines Grundstücks als Werksdeponie in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ohne anschließend durchgeführte Entsorgung stellt einen offenbarungspflichtigen Sachmangel dar, weil bei einer Deponie immer die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden muss, dass auf ihr auch Abfälle gelagert wurden, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung eine besondere Gefahr darstellen.

Der aus der früheren Nutzung des Grundstücks abgeleitete Altlastenverdacht muss nicht durch „konkrete und gewichtige Tatsachen“ untermauert werden, die das Vorhandensein von Altlasten nahelegen. Er muss auch nicht „konkret und naheliegend“ sein. Begründet die frühere Nutzung eines Grundstücks objektiv einen Altlastenverdacht, weist dieses vielmehr einen Sachmangel auf, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssen. Insbesondere bedarf es für die Annahme eines Sachmangels keiner zusätzlichen Tatsachen, die auf das Vorhandensein von Altlasten hindeuten.

b) Arglistiges Verschweigen des Mangels

Die Beklagte zu 1 kann sich hinsichtlich dieses Mangels auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen, wenn nicht der Kläger beweist, dass sie den von ihm behaupteten Mangel arglistig verschwiegen hat.

Das arglistige Verschweigen des sich aus einem Altlastenverdacht ergebenden Sachmangels setzt aber nicht voraus, dass der Verkäufer aufgrund „konkreter und gewichtiger Tatsachen“ einen „konkreten und naheliegenden Verdacht“ hinsichtlich des tatsächlichen Vorhandenseins von Altlasten gehabt habe.

Arglistig handelt bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

Verschweigt der Verkäufer eine ihm bekannte frühere Nutzung des Grundstücks, die einen Altlastenverdacht begründet, so handelt er objektiv arglistig.

Bezogen auf den subjektiven Tatbestand der Arglist hält der Verkäufer einen Sachmangel mindestens für möglich, wenn er die frühere Nutzung des Grundstücks kannte und es zumindest für möglich hielt, dass diese einen Altlastenverdacht begründet. Auch insoweit müssen keine konkreten – dem Verkäufer bekannten – Tatsachen hinzutreten, die den Altlastenverdacht erhärten. So kommt es etwa bei einer früheren Nutzung als Deponie oder wilde Müllkippe nicht darauf an, ob der Verkäufer Kenntnis von den konkret dort hingelangten Materialien und Schadstoffen hatte. Dem Käufer soll durch die Offenbarung der früheren Nutzung gerade die Möglichkeit zur Untersuchung des Baugrundes und zur Abschätzung etwaiger Mehrkosten im Falle der Übernahme des mangelhaften Grundstücks gegeben werden. Dieser Zielrichtung der Aufklärungspflicht liefe es zuwider, wenn den Verkäufer eine Offenbarungspflicht erst dann träfe, wenn er konkrete, über das Wissen um die frühere Nutzung hinausgehende Anhaltspunkte dafür hat, dass das Grundstück tatsächlich kontaminiert ist.

Ein arglistiges Handeln kann zu verneinen sein, wenn Umstände vorliegen, aufgrund derer der Verkäufer davon ausgehen darf, eine Schadstoffbelastung bestehe trotz einer gefahrenträchtigen Nutzung nicht.

So kann es beispielsweise liegen, wenn der Verkäufer oder ein Dritter – etwa ein vormaliger Eigentümer – das Grundstück mit negativem Ergebnis auf Altlasten hat untersuchen oder tatsächlich vorhandene Schadstoffe durch eine Spezialfirma hat beseitigen lassen.

Dass der Verkäuferin keine Bodenverunreinigungen bekannt waren, besagt für sich genommen nichts über das Bestehen eines – von der tatsächlichen Kontamination eines Grundstücks zu trennenden – Altlastenverdachts.

Wenn der Verkäufer davon überzeugt war, dass kein Altlastenverdacht mehr bestand, fehlte es an dem subjektiven Tatbestand der Arglist, weil diese nicht vom Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt werden darf.

Macht der Verkäufer, der aus der ihm bekannten früheren gefahrenträchtigen Nutzung des Grundstücks den Schluss auf einen möglichen Altlastenverdacht gezogen hat, geltend, er habe bei Vertragsschluss angenommen, der Altlastenverdacht sei ausgeräumt gewesen, muss er dies anhand objektiver Umstände plausibel machen.

Für entsprechende Umstände trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast. Zwar hat der Käufer grundsätzlich nicht nur den objektiven, sondern auch den subjektiven Tatbestand der Arglist darzulegen und zu beweisen. Ihm kommen insoweit aber Beweiserleichterungen zugute.

Der für die unterbliebene Offenbarung beweispflichtige Käufer muss nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast lediglich die von dem Verkäufer in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu spezifizierende Aufklärung ausräumen.

Ebenso ist es in Bezug auf den subjektiven Tatbestand der Arglist Sache des Verkäufers, diejenigen Umstände in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu konkretisieren, aufgrund derer er trotz unterbliebener eigener Aufklärung davon ausgegangen sein will, der Käufer habe Kenntnis von dem Mangel gehabt. Nichts anderes gilt, wenn der Verkäufer, der von einer früheren gefahrenträchtigen Nutzung des Grundstücks Kenntnis und einen daraus resultierenden Altlastenverdacht für möglich gehalten hatte, behauptet, er sei davon ausgegangen, dieser Verdacht sei ausgeräumt. In diesem Fall obliegt es ihm, diejenigen objektiven Umstände zu konkretisieren, auf denen diese Annahme beruhte.

c) Umfang des Schadensersatzes

Der Käufer kann beispielsweise im Rahmen des sog. kleinen Schadensersatzes Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der Mängelbeseitigungskosten verlangen.

Verlangt er Ausgleich des merkantilen Minderwerts der erworbenen Grundstücke, so erschöpft sich dieser nicht zwingend in dem Betrag, um den der Wert der Grundstücke wegen des bestehenden Altlastenverdachts gemindert ist. Beweist der Käufer, dass die Grundstücke tatsächlich kontaminiert sind, so ist vielmehr diese Kontamination in die Berechnung des Minderwerts einzustellen.

Die Haftung des Verkäufers für den Sachmangel, der sich aus einer früheren gefahrenträchtigen Nutzung eines Grundstücks ergibt, die einen Altlastenverdacht begründet, erfasst auch die Folgen des Verdachts, der sich realisiert.