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Drei Vergleichsangebote im WEG-Recht

Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft über die Beauftragung von Bau- oder Erhaltungsmaßnahmen oder über die Wahl und Bestellung des Verwalters entsprechen mitunter nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn der Verwalter zuvor mehrere (zumeist drei) Alternativangebote eingeholt hat.

Zu den Einzelheiten liegen mehrere veröffentlichte Gerichtsentscheidungen vor, zuletzt ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Januar 2020 hinsichtlich der Neuwahl und Bestellung des Verwalters und ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom Februar 2021 hinsichtlich der Beauftragung von Erhaltungsmaßnahmen.

1. Grundsätze

a) Erhaltungsmaßnahmen

Die Einholung von mehreren (meist drei) Alternativangeboten ist jedenfalls bei der Beauftragung von nicht geringfügigen Erhaltungsmaßnahmen (die früher Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen genannt wurden) am gemeinschaftlichen Eigentum erforderlich.

(LG Frankfurt am Main, Urteil v. 25.2.2021, Az. 2-13 S 47/20; LG Berlin, Urteil v. 2.2.2018, Az. 85 S 98/16 WEG; LG Itzehoe, Urteil v. 5.1.2018, Az. 11 S 1/17; LG München I, Schlussurteil vom 6.2.2014, Az. 36 S 9481/13 WEG)

Die Alternativangebote dienen dazu, die Ermessensentscheidung der Wohnungseigentümer auf eine ausreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen. Es sollen technische Lösungen ermöglicht werden, die eine dauerhafte Beseitigung von Mängeln und Schäden versprechen.

Die Angebote müssen vergleichbar sein oder aufgrund der Bepreisung der einzelnen Leistungen vergleichbar gemacht werden können.

b) Bauliche Veränderungen

Mehrere Angebote sind auch erforderlich, wenn nicht unerhebliche Baumaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum vorgenommen werden.

(LG Frankfurt am Main, Urteil v. 25.2.2021, Az. 2-13 S 47/20; BayObLG, Beschluss v. 9.9.1999, Az. 2Z BR 54/99)

Die Alternativangebote dienen dazu, überteuerte Aufträge zu vermeiden.

Werden für eine Baumaßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum Vergleichsangebote vorgelegt, erfordern es die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung nicht, dass sämtliche Angebote auf der Grundlage eines identischen Leistungsverzeichnisses erfolgen. Für die Vergleichbarkeit der Angebote genügt es vielmehr, dass die Wohnungseigentümer die Kosten für die ausstehende Maßnahme durch einen einfachen Rechenschritt vergleichen können

(LG Hamburg, Urteil v. 25.3.2020, Az. 318 S 5/19)

c) Neuwahl und Neubestellung des Verwalters

Bei der Neuwahl und Neubestellung eines Verwalters sind immer mehrere Alternativangebote einzuholen.

(BGH, Urteil vom 24.1.2020, Az. V ZR 110/19).

Denn der Verwalter hat eine für das Eigentum zentrale Bedeutung, nimmt für die Eigentümergemeinschaft wichtige und weitreichende Funktionen wahr und wird regelmäßig für mehrere Jahre bestellt.

d) Wiederwahl des Verwalters

Die Einholung von Vergleichsangeboten soll nach einer Entscheidung des Landgerichts Dortmund auch bei der Wiederwahl des Verwalters notwendig sein, wenn die angebotenen Leistungen des gewählten Verwalters von anderen Verwaltern spürbar günstiger angeboten werden.

(LG Dortmund, Urteil v. 14.6.2016, Az. 1 S 455/15)

e) Beauftragung von Dienstleistungen

Auch die Beauftragung von Dienstleistungen wie etwa Rechtsanwälten muss grundsätzlich durch Einholung mehrerer Angebote vorbereitet werden.

(AG Berlin-Charlottenburg, Urteil v. 3.5.2018, Az. 72 C 15/18).

2. Entbehrlichkeit von Alternativangeboten

In einigen Fällen verzichtet die Rechtsprechung auf die Einholung von Alternativangeboten. Die Einzelheiten werden von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.

a) Geringes Auftragsvolumen

Die Einholung von drei Alternativangeboten soll entbehrlich sein, wenn das Auftragsvolumen gering ist.

Teilweise werden Alternativangebote bei Aufträgen ab 3.000,00 Euro verlangt.

(AG Berlin-Charlottenburg, Urteil v. 3.5.2018, Az. 72 C 15/18; LG Karlsruhe, Beschluss v. 8.8.2013, Az. 11 T 355/12; LG Hamburg, Urteil v. 15.2.2012, Az. 218 S 119/11)

Das Landgericht Dortmund verlangt Alternativangebote bei Kosten ab etwa 5.000,00 Euro.

(LG Dortmund, Urteil vom 14.6.2016, Az. 1 S 455/15).

Jedenfalls bei Kosten von 12.000,00 Euro sollen Vergleichsangebote eingeholt werden müssen.

(LG München I, Schlussurteil vom 6.2.2014, Az. 36 S 9481/13 WEG).

In der Rechtsliteratur wird auch vertreten, dass sich die Wertgrenzen nach der Größe der Anlage und dem Volumen des Wirtschaftsplans richten.

b) Einholung eines Sachverständigengutachtens

Vor der Einholung eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, mit dem das Vorhandensein von Mängeln am Gemeinschaftseigentum aufgeklärt werden soll, wird auf die Einholung von Vergleichsangeboten teilweise verzichtet.

(LG Frankfurt am Main, Urteil v. 25.2.2021, Az. 2-13 S 47/20; LG Hamburg, Urteil v. 9.10.2013, Az. 318 S 20/13).

c) “Rahmen des Üblichen“

Das Landgericht Frankfurt am Main scheint auf die Einholung von Vergleichsangeboten verzichten zu wollen, wenn sich Anhaltspunkte für die Wohnungseigentümer ergeben, dass sich das vorgelegte Angebot im Rahmen des Üblichen bewegt.

(LG Frankfurt am Main, Urteil v. 25.2.2021, Az. 2-13 S 47/20)

d) Auftragsvergabe an einen Architekten oder Bauingenieur

Das Oberlandesgericht München hatte in einer älteren Entscheidung keine Alternativangebote verlangt, wenn sich bei der Auftragsvergabe an einen Architekten oder Bauingenieur das Angebot bei überschlägiger Berechnung im Bereich des Mindesthonorars nach der HOAI bewegt.

(OLG München, Beschluss vom 17.2.2009, Az. 32 Wx 164/08).

Die Entscheidung dürfte jedoch überholt sein, nachdem die HOAI seit ihrer Neufassung 2021 keine verbindlichen Mindesthonorare mehr vorschreibt.

3. Zeitpunkt der Vorlage

Die Vergleichsangebote müssen den Wohnungseigentümern spätestens bei der Beschlussfassung vorliegen.

(LG Itzehoe, Urteil v. 5.1.2018, Az. 11 S 1/17; LG Hamburg, Urteil v. 18.1.2012, Az. 318 S 164/11).

Der sicherste Weg für den Verwalter ist jedoch, den Wohnungseigentümern Kopien der Vergleichsangebote spätestens mit der Einladung zur Versammlung zu übersenden.

Bei der Neubestellung eines Verwalters ist es geboten, den Wohnungseigentümern die Angebote der Bewerber oder jedenfalls deren Namen und die Eckdaten der Angebote grundsätzlich innerhalb der Einladungsfrist zukommen zu lassen. Zu den mitzuteilenden Eckpunkten gehören die vorgesehene Laufzeit des Vertrags und die Verwaltervergütung.

(BGH, Urteil v. 24.1.2020, Az. V ZR 110/19).

Dr. Martin Winkelmann, Essen
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
(Stand: 9.2.2022)