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Beschlusskompetenz und Belastungsverbot im Wohnungseigentumsrecht

Eine Eigentümergemeinschaft ist grundsätzlich nicht befugt, den Wohnungseigentümern außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten durch Mehrheitsbeschluss Leistungspflichten aufzuerlegen (sog. Belastungsverbot, vgl. BGH, Urteil vom 18. 6. 2010 – V ZR 193/09; Urteil vom 10.10.2014 – V ZR 315/13).

Die Wohnungseigentümer können nicht konstitutiv gegen den Willen des Schuldners durch einen Mehrheitsbeschluss eine Leistungspflicht begründen. Den Wohnungseigentümern fehlt hierfür von vornherein die Beschlusskompetenz; ein gleichwohl gefasster Mehrheitsbeschluss ist nichtig.

Die gesetzlichen Vorgaben können nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer, nicht aber im Beschlusswege abbedungen werden.

Beispiele:

  • Die Wohnungseigentümer können gemäß § 28 Abs. 1 WEG über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den vorgesehenen Rücklagen gemäß dem Wirtschaftsplan beschließen. Die Wohnungseigentümer können auch gemäß § 28 Abs. 2 WEG nach Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse gemäß der Jahresabrechnung beschließen. Die Wohnungseigentümer können auch beschließen, wann solche Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.

  • Die Instandhaltungslast kann nicht durch Beschluss von der Gemeinschaft auf einen Wohnungseigentümer ohne dessen Zustimmung übertragen werden, auch wenn eine Öffnungsklausel den Beschluss formell legitimiert. Die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums obliegt den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich. Das bedeutet jedoch nicht, dass einzelne Wohnungseigentümer kraft Gesetzes verpflichtet sind, Instandhaltungsmaßnahmen selbst vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Auch zur sog. tätigen Mithilfe sind sie nicht verpflichtet. Vielmehr sind die Instandhaltungsmaßnahmen betreffenden Beschlüsse vom Verwalter umzusetzen. Die Wohnungseigentümer haben lediglich die Kosten hierfür aufzubringen. Beschließen die Wohnungseigentümer eine Instandhaltungsmaßnahme, können die damit verbundenen Kosten notfalls auch unter Abänderung des laufenden Wirtschaftsplans durch Mehrheitsbeschluss auf die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft umgelegt werden. (BGH, Urteil vom 10.10.2014 – V ZR 315/13).

  • Die Wohnungseigentümer können die Kosten einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums nur innerhalb des Kreises derjenigen Wohnungseigentümer verteilen, die nach § 21 Abs. 1 bis 4 WEG zur Kostentragung verpflichtet sind. Sie können diesen Kreis verkleinern, aber nicht erweitern. Ein Verstoß gegen dieses Neubelastungsverbot des § 21 Abs. 5 Satz 2 WEG soll nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, nicht zu seiner Nichtigkeit führen.

  • Ein Beschluss, mit dem ein Wohnungseigentümer zur Beseitigung einer baulichen Veränderung aufgefordert wird, begründet keine eigenständige Grundlage für den Beseitigungsanspruch. In vielen Fällen wird ein entsprechender Beschluss allerdings keinen Anspruch begründen wollen, sondern dient lediglich der Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens (BGH, Urteil vom 18. 6. 2010 – V ZR 193/09). Es ist den Wohnungseigentümern gestattet, durch Beschluss ihren Willen darüber zu bilden, ob sie bestimmte Nutzungen oder bauliche Veränderungen für unzulässig halten; dabei dürfen sie einzelne Wohnungseigentümer zu einem dem Beschluss entsprechenden Verhalten auffordern. Dies entspricht nächstliegender Auslegung eines solchen Beschlusses. Sie können einzelnen Wohnungseigentümern dabei nicht nur rechtlich unbedenklich eine Frist zur Herbeiführung des als rechtmäßig erachteten Zustands setzen, sondern auch allgemein eine Aufforderung zur Unterlassung oder Beseitigung aussprechen. Wird dies dem Wortlaut nach als Ge- oder Verbot beschlossen, ist darin nächstliegend ein solcher Aufforderungsbeschluss zu sehen. Im Rahmen einer gegen einen solchen Aufforderungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage sind nur formelle Beschlussmängel zu prüfen. Ob ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch besteht, ist in einem gegebenenfalls anzustrengenden Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren zu klären. In dem Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren ist das Gericht an eine im Aufforderungsbeschluss niedergelegte Auffassung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gebunden (BGH, Urteil vom 21.7.2023, Az. V ZR 215/21).
  • Die Wohnungseigentümer können durch Mehrheitsbeschluss festlegen, ob und in welchem Umfang ein ihrer Meinung nach bereits bestehender Anspruch gerichtlich geltend gemacht und gegebenenfalls durchgesetzt werden soll (sog. Abmahn- und Vorbereitungsbeschluss, vgl. AG Bonn, Urteil vom 17.1.2019, Az. 27 C 111/18).

Ein Wohnungseigentümer kann gegen einen Beschluss, der gegen das Belastungsverbot verstößt, innerhalb einer Frist von einem Monat ab dem Datum der Beschlussfassung bei Gericht eine Anfechtungsklage einreichen. Wenn der Beschluss nichtig ist, kann auch nach Ablauf der Monatsfrist eine Nichtigkeitsklage erhoben werden.

Dr. Martin Winkelmann
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Essen
(Stand 28.11.2023)